Heute musste ich meinen Shannon auf seinen
letzten Weg bringen.
Und ich bin ganz früh noch ein letztes Mal aufgestanden um ihn um 6 Uhr auf seine frische
grüne Wiese zu stellen - ich bin sicher das hat ihn gefreut.
Wenn ich dieser Tage noch spät abends manchesmal im Stall war und seine Box
machen oder nur das Stroh von der Fensterbank runterkehren wollte dann hat er
immer hinter meinem Rücken, und in aller Ruhe aber Bestimmtheit, die Tür
weiter aufgestossen und ist in seinem ruhigen Schritt über die Stallgasse
marschiert und nach draussen auf das grüne Wiesenstück
vor den Paddocks marschiert - und da stand er dann und frass in aller Seelenruhe
das frische Grün in sich rein - und die grösste Schwierigkeit war nicht
ihn einzufangen sondern den dicken Ponykopf überhaupt mal wieder aus dem Gras
hoch zu kriegen um das Halfter über seine Nase zu ziehen. So sehr war er auf das
frische Frühjahrsgras versessen.
Und allein deshalb hatte ich doch diesen Winter so viel Mühe aufgewandt seine
Wiese und die tiefen Löcher die er gebuddelt hat mühsam mit Maulwurfshügelerde
wieder zuzuschütten und neu einzusäen - sein Himmel auf Erden war eben dieses
frische Grüne Gras am frühen Morgen.
Feucht und kühl - und die Sonne geht warm auf
über seinem Rücken.
Und ich hätte es ihm so sehr gegönnt wenn er daran noch weiter seine Freude
hätte haben können.
Shannons Wiese eben.
Und ich hoffe so sehr die Sonne möge weiterhin für ihn aufgehn.
Es war immer meine grösste Freude ihn dann morgens auf dem Weg ins Büro so
seelig grasen zu sehen.
Allein dafür hatte das frühe aufstehen sich immer gelohnt.
Und als ich dann heute morgen nach 7 wieder zum Stall kam stand er schon am Zaun
und hat auf mich gewartet - und lahmte furchtbar auf dem Weg zurück - wie er es
jetzt nach ein wenig Bewegung immer tat.
Dabei hat er nicht einmal rumgetobt.
Nur Löcher gebuddelt zum wälzen.
Seine Löcher eben.
Den Sand im Pelz vom wälzen, den hat er mitgenommen auf seinem letzten Weg.
Das war für mich der schwerste Gang und ich habe noch immer die Worte eines
lieben Freundes im Ohr, damals, als er Shannon das erste Mal sah: "was willst du
bloss mit diesem grosskopferten Holsteiner? aber - naja, der gelassenere von
euch beiden, das bist sicher nicht du. ..."
Und so war es dann auch.
All die Jahre.
Was hat dieses Pferd mir alles gegeben und bedeutet - mich durch so viele Hochs
und Tiefs getragen und mir Erfolgserlebnisse verschafft von denen ich im Traum
nicht gedacht hätte, dass ich sowas mal erreichen könnte - ich seh uns noch
heute auf den ersten Geländelehrgängen bei Helmut Korte und Helmut -nicht blöd-
hat sofort erkannt was für ein Potential in diesem grosskopferten Holsteiner
steckte wenn er nur nicht bei dieser Blondine versauert... und wollte ihn
kaufen. Aber er war nicht zu verkaufen.
Nun - er ist bei dieser Blondine versauert, musste nie mehr gehen als das was
ich mit meinem Hasenherz in der Lage war umzusetzen (und beim M-Springen trennte
sich dann rasch die Spreu vom Weizen und das lag sicher nicht an ihm) und was
hat er im Gelände mit mir gekämpft - FÜR mich gekämpft - mein Shannon. Und
niemand mochte glauben dass so ein Turbodiesel überhaupt in diesem Schluffen
steckt. Wie oft bin ich auf dem Abreiteplatz (wenn er im Schritt und Zuckeltrab
über seine eigenen Beine stolperte) ausgelacht worden: mit DEM willst du in die
Q-Strecke (oder in den L-Kurs? ins Stechen?) gehen??
Und alle haben den Mund nicht mehr zugekriegt wenn dann die Startglocke bimmelte
und dieser Schluffen sich in eine Galoppiermaschine, einen Bodenfresser mit
unendlichem Vermögen und riesen Herz verwandelte - mein Shannon.
Und nun ist er nicht mehr.
Bitte lieber Gott - lass die Sonne weiterhin für ihn aufgehen.
Zu sehen wie er zum Schluss wieder über seine eigenen Beine stolperte - aus
Schmerz - nur nach dem Weidegang - das hat mir das Herz gebrochen. Und ich sitze
hier und heule Rotz und Wasser - ich schäme mich nicht. Ich denke diese Tränen
hat er wahrlich verdient.
Und die schönsten Erlebnisse - das waren eigentlich die kleinen Freuden am
Rande. Wenn mein Papa dann zum Turnierplatz kam und seine völlig aufgelöste
Tochter (die sowieso vor lauter Aufregung über die Prüfung nichts essen konnte)
mit einem Futterkorb begrüsste, liebevoll gepackt (weil das Kind ja nie
vernünftig isst und auch nie was im Kühlschrank hat) und oben auf lagen dann
immer zwei Bananen und zwei Äpfel - je eins für Sabine...und eins "für das
Pferd". Und mein Shannon sich immer dankbar mümmelnd die Bananen und Äpfel von
meinem Papa ins Maul stopfen liess (der sich sehnlichst wünschte seine Tochter
würde nur mit dem selben Vergnügen endlich auch mal was futtern) und wie er dann
pfeifend mit dem Pferd über den begrasten Anhängerplatz zog in der Hoffnung der
olle Gaul würde endlich mal pinkeln weil er es ja ums verrecken auf dem
Turnierplatz nicht tat und da stand doch seit dem langen Morgen (nach Dressur
und Springen, in der Regel Disziplinen in denen Shannon, meine sichere Bank,
mein grosser Held, uns immer weit nach vorn gebracht hatte und zum Dank dafür
ausgerechnet einen Startplatz unter den letzten im späten Gelände bekam) nun die
Cross-Strecke an und da sollte er nicht unnötig Druck auf der Blase haben, das
sah auch mein Papa ein. Diese Erleichterung verschaffte Shannon sich nie. Aber
uns. Mir. Indem er dann am späten Nachmittag zu Höchstleistungen trotz voller
Blase auflief (wenn ich es nicht verbockte weil ich in meinem blonden Dusselkopf
ein Tor ausliess oder sonstwas vermasselte) und er galoppierte und sprang mit
mir um sein Leben. Und hat mich nie im Stich gelassen.
Um dann spät abends im Stall, kaum dass er die Vorderfüsse drin hatte in der Box
- sich die nötige Erleichterung zu verschaffen.
Und jetzt ist er nicht mehr.
Ich hab ihn heute morgen dann direkt von der Wiese auf den Anhänger geführt und
er wollte gar nicht drauf - wir brauchten drei Anläufe zum verladen und ich
hoffe es lag nur daran, dass er dachte, im Stall, in seiner Box, da wartete doch
sein Futter auf ihn! Was soll er dann bloss auf dem Hänger? - Und ich hab ihn
dann in der Klink abgeliefert und der Ärztin überlassen. Ich konnte gar nicht
reden, sie hat mich nur fest in den Arm genommen und mir versprochen sie kümmere
sich um alles - ich bin grusslos und in Tränen in mein Auto gestiegen.
Mein Shannon.
Und ich weiss genau dass kein neues Pferd es schaffen kann diese Lücke zu
schliessen die Shannon in meinem Herzen hinterlässt.
Keines wird diese Kulleraugen unter dem dicken Ponyschopf haben die Shannon,
egal wo er war, ruck zuck zu "everybodys darling" gemacht haben. Das war in Bad
Homburg nicht anders als später in Münster - wenn Shannon auf der Stallgasse
stand und mit seinen grossen gütigen Kulleraugen voll Vertrauen auf jeden
Zweibeiner blickte (er hat da nie differenziert - alles was zwei Beine hatte,
hatte mit Sicherheit auch eine Jackentasche mit was für ihn darin) dann war das
schon eine Klasse für sich - keiner konnte an ihm vorbei gehen ohne nicht
wenigstens kurz mit ihm zu schmusen. Seine samtweichen Nüstern zu streicheln. Und die meisten hatten auch immer was für
ihn dabei: ein Möhrchen für den Shannon eben...
Mein Shannon eben.
Möge die Sonne auch weiterhin warm über seinem Rücken aufgehen.
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Shannon Eire * Juli 1994
Rantzau VB. *1946
Cor de la Bryere. SF *68
Quenotte SF *1960
Coriall
Holst. *87
Capitol Holst. *1975
Vera
II Holst. * 83
Ladykind Holst. *1974
Farnese Holst. *1960
Fantus Holst*1964
Reizvolle Holst. *1957
Zylla Holst. *1985
Thuswin VB. *1957
Muta Holst. *1975
Cetta Holst *1966
Shannon ist sicherlich das Pferd, dem ich am meisten in meiner eigenen
bescheidenen Laufbahn als Sportreiter- und Turnierreiter verdanke. Nachdem ich
noch zu meiner Frankfurter Zeit einige traurige Erfahrungen mit den ersten
beiden eigenen Pferden zu verdauen hatte wollte ich eigentlich dem Reitsport
komplett den Rücken kehren. Bis Shannon kam - vom "Wühltisch" sozusagen, als
eines von über 140 Pferden in einem grossen Handelsstall guckte er mich mit
seinen Kulleraugen aus der dunklen Boxe an - das war wohl Liebe auf den ersten
Blick. Und es war mir ganz egal dass dieser grosse schlacksige und völlig
unförmige Holsteiner der er mit seinen rohen vier Jahren damals war so gar nicht
irgendeinem Ideal von Pferd entsprechen wollte. Der trockene Kommentar eines
guten Freundes damals als er Shannon das erste mal sah brachte es auf den Punkt:
"was willst du bloss mit diesem grosskopferten Holsteiner? aber naja, der
ausgewogenere von euch beiden bist sicher nicht du. ..."
Mit Shannon habe ich die ersten Springpferdeprüfungen gewonnen, dabei wollte ich
damals eigentlich nach all dem vorhergegangenen Frust nur noch spazierenreiten.
Mit Shannon habe ich die ersten Versuche unternommen mal in die Welt der
Vielseitigkeitsreiterei hineinzuschnuppern - mehr aus Neugier, denn aus echter
Absicht - hatte ich die Hosen doch beständig voll wenn ich vor diesen festen
Hindernissen stand. Heute zählen unsere gemeinsamen Siege und Platzierungen in
Stilgeländeritten und Vielseitigkeiten zu meinen schönsten Erlebnissen im Sattel
überhaupt.
Shannon, mein Held, hat mich überall hin- und durchgetragen.
Und Shannon war es auch der mich ernsthaft in der Dressurreiterei auf den Weg
brachte und mir später unter der Ägide von Michael Farwick überhaupt eine
Vorstellung davon vermittelte was es eigentlich heisst auf einem gut
durchschwingenden Pferd zu sitzen - was es eigentlich heisst wenn man immer
sagt: Trab ist die einzige Gangart die man sich erarbeiten kann. Shannon hat von
Natur aus überhaupt gar keinen Trab - und Michael hat uns durch die Mühle der
klassischen Grundausbildung der Reiterei gedreht - wieder und wieder mit
unendlicher Geduld. So dass für mich bis heute das grösste Erfolgserlebnis mit
Shannon - neben unseren späteren Turniererfolgen in allen drei Sparten der
Reiterei - eigentlich eine kleine und doch so grosse Gegebenheit in
unserem zweiten gemeinsamen Sommer in Münster war - da ritt ich abends auf
unserem grossen Dressurplatz über die Diagonale und plötzlich riefen ein paar
Kameraden quer über den Platz: "das ist ja eine Trabverstärkung für ne "8" im
grossen Viereck!" - und das war wirklich mein grösster Stolz. Denn traben
- das kann er eigentlich gar nicht...
So wurde Shannon für mich zum Lehrpferd in jeder Hinsicht und im nachhinein war
das sicherlich das beste was mir je passiert ist: ich habe zwar wie sicher
jeder von uns immer davon geträumt einmal ein fertig ausgebildetes Dressurpferd
unter dem Hintern zu haben und einfach nur nachreiten zu müssen - wer steht
nicht manches mal neidvoll an den Turnierplätzen und denkt sich: das kann ich
auch... - aber so waren es die mühevollen und hart erarbeiteten kleinen
Fortschritte auf einem Pferd von dem eigentlich jeder sagte, das kann der doch
gar nicht, die mir die grösste Freude bereitet haben und es noch heute tun.
Insbesondere im Hinblick auf meine spätere Reiterei mit Fabrice kann ich mich gar nicht genug bei meinem Wühltischpferd bedanken - Ich denke nicht dass ich jemals den Mut und die nötige Selbstsicherheit aufgebracht hätte Fabricechen gegen eine Sprung oder gar durch einen ganzen Geländekurs zu reiten hätte Shannon mir nicht das Vertrauen dazu gegeben. Shannon ist der lebendige Beweis dafür dass man mit einem Pferd alles machen kann - man muss es nur einfach tun. So habe ich Fabrice als ich sie dann nach ihrem ersten Fohlen zu uns in den Stall holte von Anfang an als Handpferd neben Shannon her auf die Rennbahn mitgenommen. Und was sich anfänglich als zeitsparende und vor allem pferdegerechte weil geradeausgerichtete Bewegungsalternative zum longieren anbot entwickelte sich später zum ernsthaften Konditionstraining beider Pferde in einem Abwasch: Mein Shannon galoppierte völlig unbeeindruckt seine 2000 bis 3000 Meter Konditionstraining im frischen vorwärst bei konstanter Anlehnung und Fabricechen galoppierte am Halfter nebenher - wer es nicht gesehen hatte, der mochte es kaum glauben.
Dennoch ist Shannon ein Sensibelchen: Veränderungen in seiner gewohnten Umgebung bringen ihn völlig aus der Fassung. Grössere Anstrengungen -insbesondere beim springen- quittiert er grundsätzlich mit lautem Stöhnen - was mir dann immer dieses schlechte Gewissen einbringt, o wei, jetzt habe ich den armen Zossen schon wieder vermetert und er muss sich die Beine ausreissen um uns doch noch heil darüber zu bringen - was er dann auch immer tut. ... und manch einem noch heute kopfschütteln verursacht dass dieses Pferd es bei diesem Beritt immer noch so gern und bereitwillig tut.
Shannon, der bis heute grösste Skepsis vor fremdem Wasser hegt, hat uns unbeirrt durch brusthohe Prile in der Nordsee, die ich in meinem etwas naiven Leichtsinn doch etwas unterschätzt hatte, zielbewusst zurück an den rettenden Strand gesteuert. ... der selbe Shannon der anlässlich eines mehrtägigen Geländelehrganges in Luhmühlen vor dem fliessenden Wasserlauf lieber drei Tage lang mit mir auf dem Absatz kehrt gemacht und Hackengas gegeben hat bevor er sich durch unendliches Bemühen schliesslich doch überreden liess mal einen Fuss da rein zu setzten - um dann von der Strömung beinahe umgepustet zu werden... Heissa, da wurde mir doch etwas anders als ich dieses schwankende Pferd unter mir hatte und so gar nicht wusste was ich tun sollte, hatte der liebe Gott ihm doch vier Beine gegeben und mir nur zwei, folglich hatte er die Fusshoheit über unser gemeinsames Unternehmen und unsere gemeinsame Rettung hing allein von seinem dazutun ab... später wurde dieser Wasserlauf dann zu unserer gemeinsamen Lieblingserholung nach vollbrachten Trainingseinheiten zurück in den Stall.
Shannon ist mein grosser Held und wird es auch immer bleiben - so sei ihm
diese Seite gewidmet als kleiner Dank für all die gemeinsamen Höhen und
Tiefen die er in all den Jahren mit mir
durchschritten hat und es hoffentlich
noch lange tun wird.
Eine Hommage an ein ganz grosses Pferd.
Danke, Shannon!
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