1912 wurde vor einem Gericht in Aberdeen
ein Fall verhandelt und eine sehr alte Dame sollte einen Sachverhalt
terminieren, der sehr weit zurücklag.
„Wann war es?“ fragte der Richter. „Das Jahr weiß ich nicht mehr“, sagte
die Zeugin, „aber ich erinnere mich, daß Blair Athol das Derby gewonnen
hatte.“
Der Richter wandte sich prompt zum Protokollführer: „Also 1864...“
Franz Chales de Beaulieu "Das Vollblut"
Die
Zeiten, in denen die Jahre nach Derbysiegern gemessen wurden, sind lange
vorbei.
Denoch muss man kein Rennsportenthusiast sein um Schlenderhan zu
verehren.
Ein tiefes Interesse für die Pferdezucht, Traditionsbewusstsein, Respekt und ein gesundes
Geschichtsinteresse treffen es in meinem Falle eher.
Der Name Birkhahn ist nicht erst
seit den Recherchen zum Pedigree meiner eigenen Vollblutstute Ionia xx
in meinem Kopf verankert.
Aktuell ist es Monsun, der die Vollblutzucht auch zwei Jahre nach seinem
Tode mit der Erfolgsdichte seiner jüngsten Nachkommen bewegt.
Mit Schwarzgold jedoch assoziiert auch heute noch jeder Warmblutzüchter
sofort die Stammstute einer der bedeutendsten Vollblutlinien unserer
Zeit.
Anders als Birkhahn und Monsun ist Schwarzgold auch auf Schlenderhan
geboren und steht für die
züchterische Bedeutung der Stutenlinien des Gestütes.
(zum Feature "Schwarzgold - Die Geschichte einer
Legende")
Gestütsleiter
Gebhard Apelt erläutert die drei wichtigsten Stutenfamilien auf
Schlenderhan:
Das "I" steht für den Stutenstamm der französischen Stammstute Yonne
und ist neben dem "A" der Familie der Asterblüte und dem schwarzgoldenen
"S" auf Schlenderhan noch heute noch von grosser Bedeutung.
Schwarzgold war eine Tochter des Graditzer Alchimist
und eng auf Dark Ronald ingezogen. Sie markiert neben der Altefelderin
Kaiserwürde (Begründerin der Zoppenbroicher K-Familie) und der
Ravensbergerin Waldrun sicherlich die für die Warmblutzucht
bedeutendsten Vollbluteinflüsse der Nachkriegszeit. Und so schliesst
sich der Kreis dann auch wieder zu Monsun, der über seinen Vater
Königstuhl das Blut eben dieser Kaiserwürde im Mannesstamm nach
Schlenderhan brachte.
Und es gibt sie, diese Dinge, die sind allen traditionsreichen Gestüten
gemein.
Der alte Baumbestand gehört dazu. Doch wenn man mit "alt" und "zeitlos"
gemeinhin ehrwürdige Eichen
assoziiert, so sind es in der Regel
Kastanien und Walnussbäume, die man auf alten Gestüten findet.
Das ist
auf Schlenderhan nicht anders. Es ist Spätsommer, die Kastanien glänzen
unter ihren Schalen und die Schalen der
dicken Walnüsse knacken unter den
Füssen. Lachend hält Apelt dazu an,
diese herrlichen Nüsse zu sammeln und nicht zu zertreten, "so schöne
grosse Nüsse können sie nirgendwo kaufen!"
Recht hat er.
Später lernen wir, was es mit den Kastanien und Walnussbäumen auf sich
hat, die befinden sich nämlich auch auf dem nicht weit entfernten Gestüt Röttgen stets an prominenter
Position:
immer vor dem Stutenstall und immer vor den Hengstställen und in kleinen
Inseln stets mitten auf den grossen Koppeln.
Die Blätter dieser Bäume enthalten Duftstoffe, die Insekten abhalten.
Lästige Mücken und Stechfliegen soll es dort nicht geben.
Mythos oder Wahrheit?
Schlenderhan
wurde 1869 gegründet und ist das älteste Privatgestüt Deutschlands, es
befindet sich seit fünf Generationen in Familienbesitz der Barone von
Oppenheim. Seit
1952 bis zu ihrem Tod im Jahre 1988 führte Gabrielle Baronin von
Oppenheim die Regie durch die prägende und turbulente Nachkriegszeit.
Gabrielle von Oppenheim löste den
Privatrennstall auf. „Das war revolutionär“, sagt sie. Die Pferde werden
nun von Public-Trainern auf die
Rennen vorbereitet.
Sie ließ der Zucht frisches Blut zuführen. Vor allem: sie ließ sich
nicht beirren, als es so aussah, als kantere Schlenderhan dahin, ohne
jemals wieder in vollem Galopp zu gehen. Sie arbeitet voller
Konzentration. „Dann brauche ich Ruhe; und deshalb habe ich auch keine
Moderne Kunst um mich“, erklärt sie, „ich mag Moderne Kunst. Aber bei
meinem Temperament würde sie stören.“ Und ihr Temperament ist der Motor
im Betrieb. Es ist ein Temperament, das auch Schroffheit nicht scheut
und das sie wohltuend hindert, etwa in eine High-Snobiety-Attitüde zu
verfallen. Person und Persönlichkeit der Baronin Gabrielle von Oppenheim
passen exakt zum Vollblut.
"Die Zeit", 1969
Bis heute hat sich rein optisch auf Schlenderhan wenig geändert.
Die lange baumbestandene Allee führt hinauf zum Stutenstall, der Wald
zur Rechten verspricht verborgene Einblicke auf den Hengststall und das
Schloss, zur Linken säumen weite Koppeln hinter dichten Hecken den Weg.
Ganz genau so stellt man sich ein geschichtsträchtiges und altes
Vollblutgestüt vor.
Schlenderhan ist zeitlos.
Und
ein kleines bisschen ist es auch geheimnisvoll. Der Reiz, den
Schlenderhan von jeher ausübt, mag in seiner vornehmen Zurückhaltung
liegen. Schlenderhan verwehrt sich jedes kommerziellen Mainstreams. Eine
Webseite gibt es nicht. Werbung gibt es nicht. Schlenderhan existiert in
einem Paralelluniversum zum heute üblichen Benehmen.
Hört man Gestütsleiter Gebhard Apelt zu, dann ist das auch ganz genau so
gewollt.
"Wir werben nicht. Wir wollen das nicht.
Wenn unsere Pferde erfolgreich
sind, dann ist das Werbung genug für uns."
Der Mann spricht grosse Worte gelassen aus.
Das verspricht ein interessanter Rundgang zu werden!
Und doch haben die Zeiten sich geändert.
Erstmals seit 50 Jahren hat Schlenderhan in diesem Jahr einen kompletten
Hengstjahrgang zur Auktion aufgeboten.
Mit 450.000 Euro erzielte der angebotene
Monsun-Sohn Fast Lightning auf der BBAG Jährlingsauktion
Anfang September den Höchstpreis.
Eigene junge Hengste selber promoten ist nicht immer einfach.
Akquirierte Deckhengste etablieren aber auch nicht. Erfrischend direkt kommentiert Apelt:
"Mit Kingslake und Local Suitor ging das voll in die Hose!"
Drei Fohlenstutenherden zu je acht Stuten gab es in diesem Jahr auf
Schlenderhan. Die ältesten Fohlen aus Februar bis April sind bereits
abgesetzt, die letzte Gruppe mit den späteren April und Maifohlen läuft
noch beisammen. Neugierig galoppiert die Herde uns entgegen und lässt
sich nach individueller Vorstellung durch Apelt zu ausgelassenem Toben
hinreissen. Bei so einem Anblick geht einem einfach das Herz auf!
Man vergisst wo man sich befindet und geniesst.
"Wer Pferde liebt, der liebt das Leben!"
Gabrielle von Oppenheim, die, wie sie beiläufig
erwähnt, „brennend an Politik interessiert“ ist, internationale Kontakte
pflegt und ohne falschen Nationalstolz nicht nur die Vollblutzucht
auch als
„nationale Angelegenheit“ empfindet, pocht auf Zahlen und Fakten und ist
doch alles andere als berechnend. So kühl sie sich gibt, wenn andere vom
Vollblut als „Kulturgut“ sprechen und Pathos sich in die Reden
einschleicht – Gabrielle von Oppenheim bestätigt in Person die alte
Weisheit:
Wer Pferde liebt, der liebt das Leben.
"Die Zeit", 1969
Besonders angetan haben es mir diese beiden Hengstfohlen, beides Söhne
des Tertullian. Der wüchsige Fuchs ist sichtbar erkennbar als Sohn
seiner linienbetonten grossen Mutter, ebenso schlicht und rot wie er. Es
handelt sich um Miramare von Rainbow Quest, aktuell tragend von
Adlerflug.
Der charmante Dunkelbraune scheint in diesem Alter abgesehen von der
Farbe weniger muttergeprägt in Linien und Rahmen. Es ist ein Sohn der
siebzehnjährigen Sommernacht, die 1999 selber originellerweise
"Winterkönigin" wurde. Sie ist eine recht typische Tochter des Monsun
und mithin Vertreterin einer Linie, die im eher knappen Masse steht.
Sommernacht misst nur 1,57. Wahre Grösse misst man eben nicht in
Zentimetern, ein Umstand, den Warmblutzüchter wohl nie begreifen werden.
Baronin
Gabrielle von Oppenheim, die für dreieinhalb Jahrzehnt die Geschicke des
Gestüts lenken sollte, übernahm mit Verve das Gestüt, vor allem aber
stand ihr der Tecklenburger Bauernsohn Ewald Meyer zu Düte zur Seite.
Damals 36 Jahre alt, im Winter 1941/42 schwer verwundet, der linke Arm
blieb im Krieg. Trotzdem ritt er mit einer Prothese Dressur, fuhr
Gespanne. "Tüten-Meyer" wie man ihn in der Szene nannte, wurde
Schlenderhan. So meldete er sich auch am Telefon in seinem kleinen Büro
im Schloß. Jeder wußte ohnehin, wer dran war: "Tütenmeyer", der Magier
aus Schlenderhan.
Er stellte den Hengst Birkhahn in Schlenderhan auf, Derbysieger des
Jahres 1948 und in der damaligen DDR als Vererber nicht erkannt. Blut
ist der Saft, der Wunder schafft: für Schlenderhan war es das Blut von
Birkhahn. Über seine Abstammung sind Deckhengste in Serie produziert
worden.
Den berühmten Pferde-Friedhof besichtigen - mit den echten Gräbern der
berühmten Schlenderhaner Pferde Saphir (1894-1916), Danubia (1902-
1916), und Orchidee (1910- 1932). Meyer nahm Haltung an und den Hut ab.
Hamburger Derby-Woche 2003
Was
mir stets am Pedigree meiner eigenen Vollblutstute Ionia gefiel war die
Inzucht auf Birkhahn, weshalb ich ihm bereits vor Jahren eine eigene
Seite gewidmet habe
(lesen). Birkhahn erblickte im März 1945
auf dem Preussischen Hauptgestüt Altefeld das Licht der Welt. Während
meiner Frankfurter Zeit fuhr ich einige Male nach Altefeld und hatte
damals das grosse Vergnügen mit dem Gestütsherrn Manfred Graf auf einem
seiner Vollblutnachkommen dort ausreiten zu dürfen. Wenn mir damals
schon in dem Ausmass wie heute bewusst gewesen wäre um welch
geschichtsträchtige Stätte es sich dort handelte - ich glaube ich wäre
niemals wieder abgesessen... Birkhahns Einfluss auf die deutsche
Vollblutzucht ist so weit verbreitet wie erfolgreich,
er selber war ein harter Derbysieger
und vierfacher Champion-Deckhengst für Gestüt Schlenderhan.
Meyer zu Düte war immer für eine Überraschung gut. 1985 gewann der
Schlenderhaner Hengst Anatas in Iffezheim das eher harmlose
Spreti-Rennen. Der Gestütsleiter erschien vor der erstaunten Presse und
verkündete sichtlich bewegt: "Das war der 4.000 Schlenderhaner Sieg. Ein
Weltrekord." Die Journaille war verblüfft. Keiner konnte das jemals
nachrechnen und am Tag darauf war in allen Zeitungen vom Schlenderhaner
Weltrekord zu lesen.
Zufrieden begab er sich nach der Rennwoche wieder zur Kur in Dengler’s
Klinik nach Baden-Baden. Sein Schlenderhan stand im Mittelpunkt. Dort,
wo es hingehört.
Der erfolgreiche Trainer Henry Cecil hat einmal gesagt, er kenne aus
Deutschland nur Schlenderhan, die Stute Schönbrunn und Meyer zu Düte.
Hamburger Derby-Woche 2003
Gabrielle von Oppenheim hatte geweint, als sie kürzlich Schönbrunn
verkaufte. Der Verkauf ging schnell, aber eben nicht schmerzlos vor
sich. Die Stute Schönbrunn ist das erste Produkt des Schlenderhaner
Deckhengstes Pantheon, das eine klassische Prüfung gewann. Schönbrunn
siegte im Schwarzgold-Rennen, der deutschen Version der 1814 in England
begründeten Prüfung um die „1000 Guineas“, und auch im Preis der Diana.
Zehnmal siegte Pantheon, ehe er ins Gestüt kam. „Als Schönbrunn, sein
erstes Produkt auf der Rennbahn, so erfolgreich wurde“, erzählt
Gabrielle von Oppenheim, „da hat das Ausland aufgehorcht.“ Und das
Ausland hat gekauft.
Ein guter Kauf und ein guter Verkauf sind keine geringeren Erfolge als
Siege in großen Rennen.
"Die Zeit", 1969
Die jüngste Vergangenheit Schlenderhans zeichnet sich aus durch die
beiden Derbysiege 2007 und 2009. Nach Adlerflug gewann zwei Jahre später
Wiener Walzer das Deutsche Derby und Schlenderhan, schon zuvor
erfolgreichster Besitzer in der Derby-Historie, sicherte sich damit den
18. Sieg im Blauen Band.
Mittlerweile ist Wiener Walzer als Deckhengst in der Zucht und Heinz
Hönning stellt den ausgesprochen kernigen Braunen vor
(Fotos oben). Immer wieder
spurtet der kapitale Hengst durch sein Paddock und lässt sich auch zu
dem ein oder anderen Buckler hinreissen.
Gebhart Apelt erzählt von dem Hengst und seiner Geschichte und holt
dabei gern weiter aus.
Züchterisch nämlich.
Auslöser war meine etwas naive Frage nach der mütterlichen Abstammung
des Hengstes aufgrund der Namensgebung. Der nicht rennsportaffine
Warmblutzüchter vermutet bei Wiener Walzer und Walzerkönigin nicht ganz
unberechtigt die Ravensberger Waldrunfamilie im Hintergund, doch Apelt
belehrt uns gern eines Besseren.
"Die deutsche Vollblutzucht ist stark von Northern Dancer geprägt. Es
ist schwer, Pedigrees zu finden oder entsprechende Produkte zu schaffen
ohne dieses bereits vorhandene Blut. Da muss man sich in Übersee
orientieren."
"Die deutsche Vollblutzucht ist auf Steher geprägt, Langstreckenpferde.
Grossmotorige Maschinen, die einen Moment brauchen bis sie auf
Hochgeschwindigkeit kommen und dann lange laufen. Ich bin daher immer
auf der Suche nach etwas Zündung bereits in unteren Distanzen zum
beimischen, Sprinter eben, und die findet man am besten in Übersee."
Aber Überseebedeckungen sind teuer. Auf zwölftausend Dollar beziffert er
derzeit die Kosten für den Flug, sowas macht man nicht jeden Tag und
schon gar nicht für ein Mal. So machte es Sinn, Walzerkönigin vierjährig
zum Einstand in ihr Zuchtstutendasein in den USA zu belassen, nachdem
sie in der Saison ohnehin vor Ort
war
und dort bereits drei erfolgreiche Starts absolviert hatte. Und
Walzerkönigin sollte es deshalb sein, weil auch sie bereits ein Produkt
aus Übersee mit quasi Outcross-Charakter zu den in Deutschland üblichen
Pedigrees ist. Sie wurde dann in den darauffolgenden beiden Jahren von
zwei amerikanischen Spitzenhengsten gedeckt,
Rahy und
Dynaformer, und kehrte
daraufhin mit ihren Fohlen zurück nach Deutschland. Auf Dynaformer hält
Apelt grosse Stücke und ist froh, dieses Blut nun auf Schlenderhan zu
haben.
Tertullian
Jährlingskäufe deutscher Besitzer oder Züchter in den
USA sind nicht unbedingt an der Regel, sie sind vielmehr eine ziemliche
Rarität. So war es schon eine einmalige Aktion, als Schlenderhan in
Keenland für immerhin 275.000 $ eine von
Kingmambo
stammende Jährlingsstute ersteigerte, die auf den Namen
Walzerkoenigin getauft wurde.
Es war nicht wenig Geld, aber über die Jahre gesehen ein ausgezeichneter
Deal. Mit Wiener Walzer wird
jetzt ein Sohn dieser Walzerkoenigin im
Gestüt Erftmühle aufgestellt.
Sein Vater Dynaformer zählt inzwischen 26
Jahre, doch annonciert ihn die Three Chimmeys Farm in Kentucky für die
kommende Decksaison unverändert zu einer Taxe von 150.000 $, ein Preis
der schon seit 2007 gültig ist. Er gehört fraglos zu den erfolgreichsten
Vererbern in Nordamerika, ist Vater des verunglückten Kentucky Derby
(Gr. I)-Siegers Barbaro, von Americain, Sieger im Melbourne Cup (Gr. I)
und dieses Jahr von der dreifachen Gr. I-Siegerin Blue Bunting. Hinzu
kommt eine Vielzahl von Gr.-Siegern in den USA. Als Vater erfolgreicher
Deckhengste ist er bislang noch nicht besonders hervorgetreten.
Turf Times, 2012
Die Schlenderhaner Deckhengste Tertullian und Wiener Walzer stehen zwar im nahegelegenen Gestüt
Erftmühle unter der Regie von Heinz Hönning und seiner Mannschaft, sind
jedoch echte "Schlenderhaner".
Mit den Deckhengsten sind natürlich auch die Gast- und Pensionsstuten
ins nahe gelegene Erftmühle ausgelagert. Schade eigentlich, hatte ich
doch im letzten Jahr beim "Schaufenster Vollblut" einen Freisprung von
Toylsome gewonnen, der im Besitz des Baron von Ullmann steht und somit
ebenso zum Schlenderhaner Hengstbestand gehört.
Die Idee, Fabricechen oder Fannie Mae einmal zu Gast auf Schlenderhan zu
sehen, hätte durchaus ihren Reiz.
Lange
verweilen wir am Hengststall vor den Paddocks von Wiener Walzer und
Tertullian und natürlich kommt das Gespräch angesichts der beiden
vierbeinigen Heroen nebenan auf den aktuellsten und ganz grossen Erfolg
Schlenderhans, den Sieg im Grossen Preis von Baden Baden.
Drei Wochen ist es her und der Held unter dem Sattel heisst seitdem
Ivanhowe und kommt aus Schlenderhan. Und wie wir gerade eben erst
gelernt haben handelt es sich bei diesem "I" natürlich um einen Spross
der Stutenfamilie der Yonne. Ivanhowe ist ein Sohn des Soldier Hollow
gezogen aus der Indigo Girl, eine Stute, die sich selber nicht unbedingt
durch rekordverdächtige Eigenleistung auszeichnete und mit ihrer
ältesten Nachzucht seinerzeit wohl wenig Phantasie weckte, weshalb sie
neunjährig verkauft wurde.
Da war Ivanhowe gerade ein Jahr alt.
Die Geschichte, die sich um diesen jüngsten Grossen Preis von Baden
Baden rankt, ist dazu angetan, auch wenig rennsportaffine Besucher zu
begeistern. Einfach deshalb, weil es geradezu unerhört war, was dieser
Ivanhowe dort abgeliefert hat, als er den bis dato ungeschlagenen und
von Fachpresse und Experten einhellig
Blick auf den Hengststall vom Schloss
als unumstrittenen Favoriten gefeierten Sea The Moon am Zielpfosten
hinter sich liess.
Gebhard Apelt trägt das zufriedene Grinsen noch heute im Gesicht und es
sei ihm gegönnt.
Blick auf das Schloss vom Hengststall
Als
die "Kilogötter" am Abend des Derbytages zu dem Fazit kamen, das man dem
frisch gekürten Horner Derbysieger Sea The Moon eine Marke von 102,5
Kilo vergeben und somit über den Epson- und Irish Derby Sieger Australia
stellen werde, wurde einmal mehr deutlich, dass sich am Nachmittag des
6. Juli auf der Hamburger Galopprennbahn etwas aussergewöhnliches
abgespielt haben muss. Vermutlich wurden die rund 20.000 Besucher auf
einer sonnenüberfluteten
Rennbahn Zeugen eines Derbys, wie es in seiner 145-jährigen Geschichte
noch keines so gegeben hatte.
"Hochüberlegen elf Längen", notierte der
Richter als der 28:10 Favourit Sea The Moon die Ziellinie passierte.
Es hätten gut und gern 20 Längen werden können, wenn nicht Sae The Moons
Steuermann Christophe Soumillon schon
nach halber Gerade die Hände hingesetzt hätte. ...
Vollblut Spezial, Sommer 2014
Und wenn Sea The Moon auch die Farben des Gestüt Görlsdorf trägt, so
schreibt auch er ein Stück Schlenderhaner Geschichte. Seine Mutter Sanwa
ist eine Tochter des Monsun und Vollschwester der beiden Derbysieger
Samum und Schapiarelli. Aktuell wird diese Stutenfamilie als die wohl
erfolgreichste und wichtigste Stutenfamilie des deutschen
Galopprennsports bezeichnet.
Sea the Moon hat von Anfang an keinen Zweifel an seiner Klasse aufkommen
lassen und wurde den Erwartungen, die man in seine Abstammung setzte,
voll gerecht. Eher das Gegenteil könnte man nun vor dem Hintergrund der
Geschichte seiner Mutter von Ivanhowe behaupten, doch wie ein guter
Freund es treffend auf den Punkt brachte:
"Man kann Genetik berechnen.
Ausrechnen kann man sie nicht."
Enttrohnt wurde Sea The Moon nun von dem Schlenderhaner Ivanhowe, ein
gelungeneres Beispiel für die Unberechenbarkeit des Turfs gibt es kaum.
Mithin gilt Ivanhowe nun als heisser Kandidat für den "Arc", wie es
im Fachjargon so lässig heisst. Der Prix de l'Arc de Triomphe gilt als
eines der bedeutendsten Rennen im
Galoppsport schlechthin, und das nicht zuletzt weil er in diesem Jahr
mit schlanken 5 Millionen Euro Preisgeld
ausgestattet ist, die Hälfte davon bekommt der Sieger.
Zu Füssen des Monsun, "Kleiner Kerl im Kies"
Gern
lässt Apelt sich zu Spekulationen über dieses von allen gespannt
erwartete grosse Rennen im Oktober in Paris mitreissen, wer Ivanhowe
dort reiten könnte ist nur eine der Fragen, die engagiert diskutiert
wird.
Festlegen lässt Apelt sich jedoch zu nichts. Der Mann ist
Profi und kennt sein Geschäft.
Über die Unberechenbarkeit des Turfs ist zu allen Zeiten viel
geschrieben worden und immer wieder wird der schöne Satz bemüht:
"Am Ende siegt nicht unbedingt das beste Pferd, sondern das,
welches an diesem Tag das meiste Glück hat!"
Und das wird auf kein Rennen so sehr zutreffen wie auf den Arc in diesem
Jahr, der derzeit geradezu ein Favoritensterben zu beklagen hat. Neben
dem Irish Derby Sieger Australia wird auch Sea the Moon nicht mehr an
den Start gehen. Zum Zeitpunkt unseres Besuches auf Schlenderhan ist Sea
The Moon bereits Geschichte. Verletzungsbedingt musste der Hengst dieser
Tage aus dem Sport genommen werden und wird künftig als Deckhengst
wirken.
Mein Dank gilt German Racing, den Organisatoren dieser Veranstaltung,
die mit dem "Tag des Vollblut" ein einmaliges Kunststück vollbracht
haben:
38 Vollblutgestüte bundesweit hatten ihre Tore für Besucher geöffnet um
einer breiten Klientel das deutsche Vollblut, seine Geschichte und den
Galopprennsport näher zu bringen. Ein Besuch auf Schlenderhan war immer
mein grosser Wunsch und es war ein grossartiges Erlebnis. Man kann nur
hoffen, dass diese Veranstaltung nicht einmalig bleibt sondern
wiederholt wird - im Sinne aller Beteiligten.
Das sehenswerte Fotoalbum mit über 40 Bildern zu diesem Besuch findet
sich auf Facebook
hier.
Ebenso auf Facebook das Fotoalbum vom Besuch auf
Gestüt Röttgen.
3.10.2014
In ihrem aktuellen Newsletter zum Tag der Deutschen Einheit greift die
Turf-Times das Schlenderhan-Feature auf und verlinkt die Seite als
lohnenswerten Beitrag - eine gelungene Überraschung und eine schöne
Anerkennung!
zum Seitenanfang
Schwarzgold - Die Geschichte einer
Legende
Alles andere als geplant und wohl durchdacht beginnt die Geschichte der
Schwarzgold, und das nicht erst in ihrem Geburtsjahr 1937.
Es war die Zeit, als aus Amerika die Kunde vom „Rennen des Jahrhunderts“
über den Ozean schwappte. Vor 40.000 Besuchern wurde das heiss ersehnte
Duell zweier Giganten der Rennbahn, Sea Biscuit und War Admiral, in der
Nähe von Baltimore ausgetragen, weitere vierzig Millionen Menschen
verfolgten den Kampf „Flanke an Flanke“ atemlos vor dem Radio in den
Vereinigten Staaten.
Galopprennsport bewegte die Welt.
Es war die Zeit des Nationalsozialismus und des zweiten Weltkriegs.
Zu dieser Zeit wirkte mit Kurt Graf Sponeck in einzigartiger personeller
Konstellation der ehemalige Preussische Landstallmeister als
Gestütsleiter auf Schlenderhan. „Mit sichtlichem Vergnügen,“ so erzählt
Stoffregen-Büller, habe Baron Simon Alfred von Oppenheim 1927 der
staunenden Rennwelt diese gelungene Akquise für sein Gestüt verkündet.
Das hatte es noch nie gegeben, dass ein Preussischer Landstallmeister,
noch dazu vom Format eines Sponeck, in den Dienst eines privaten
Gestütes trat und es wurde allseits gerätselt, was ihn hierzu wohl
bewogen habe.
Baron Alfred und Graf Sponeck waren
Regimentskameraden von Rathenows Ziethen-Husaren her. 450 Rennen hat
Graf Sponeck selber geritten. Einige Turfgroßmütter entsinnen sich noch
Graf Sponecks Sieg auf Country Boy im Hamburger Damenpreis-Jagdrennen.
Für dieses Rennen setzte nicht der Hamburger Rennverein den Preis aus,
sondern der wurde bei den Damen der Hansestadt gesammelt.Vor 23 Jahren
übernahm Graf Sponeck die Leitung von Gestüt und Rennstall Schlenderhan.
Seitdem trägt Graf Sponeck wie Waldemar Freiherr von Oppenheim rot-blau
gestreifte Krawatten. Das sind Schlenderhans Rennfarben. Auch Trainer
Georg Arnull, Stalljockey Heinz Bollow und die übrigen zehn
Stallangestellten tragen rot-blau gestreifte Schlipse.
Der Spiegel, 1950
Sponeck war zehn Jahre vor Schwarzgolds Geburt bereit gewesen, das
Preussische Staatsgestüt Altefeld zu verlassen, wo zu dieser Zeit mit
dem Iren Dark Ronald und seinem Sohn Herold die beiden wohl
bedeutendsten Gründerhengste der deutschen Vollblutzucht wirkten.
Doch während die Vollbluthengste in Trakehnen und auf Altefeld der
Veredelung von Halbblutzuchten zu dienen hatten, ging es auf
Schlenderhan ausschliesslich um Rennleistung.
„Zum Züchter gehört eine intensive Beobachtungsgabe und die Gabe, aus
seinen Beobachtungen die richtigen Schlüsse zu ziehen,“ war Sponeck
überzeugt. „ Es gibt keine Paarung, die keine Schönheitsfehler hat. Wie
es überhaupt nichts Vollkommenes gibt. Aber man muss sich über die
wichtigsten Gesichtspunkte klar sein und muss bei Berücksichtigung
dieser Gesichtspunkte dann auch in der Lage sie, weniger wichtige Fehler
in Kauf zu nehmen.“
Es war Baron Waldemar von Oppenheim, einer der vier Söhne des Simon
Alfred, der Schlenderhan durch die Zeit des Nationalsozialismus führte.
In den gut sechzig Jahren seines Bestehens hatte Schlenderhan bereits
einige bemerkenswerte und erfolgreiche Pferde hervorgebracht, die beiden
bedeutendsten zu diesem Zeitpunkt waren Alba und Oleander.
Während Alba aufgrund eines tragischen Unfalls am Vorabend der ihm
bestimmten „Triple Crown“ bereits dreijährig auf dem Höhepunkt seines
Ruhmes abtrat und nie Nachkommen zeugte, erfreute Oleander sich
allergrössten Zuspruchs als Deckhengst. Oleander galt lange Zeit als das
erfolgreichste deutsche Galopprennpferd des 20. Jahrhunderts. Seine
Lebensgewinnsumme wurde in Deutschland erst 1968 von Luciano
übertroffen.
Der zwölfjährige Oleander war 1936 der einzige Deckhengst auf
Schlenderhan und beanspruchte die heimische Gestütsbühne mit ihren
zweiundzwanzig Stuten als Solist. Die übrigen Deckhengste, darunter sein
Vater Prunus, waren verpachtet nach Hoppegarten, Röttgen, Ravensberg –
klangvolle Name, noch heute wohlbekannt.
Manch einer kritisierte, dass neben Oleander, „der drei Jahre den
deutschen Turf beherrschte und dessen Gigantengestalt alles
überschattet“, auch jetzt noch kein weiterer Hengst die Chance hatte,
sich züchterisch auf Schlenderhan durchzusetzen. Oleander deckte auf
Schlenderhan komplette Jahrgänge und so wundert es nicht, dass gerade
Schlenderhan sich mit Töchtern des Oleander hervortat. Eine davon war
Schwarzliesel, eine auf der Rennbahn hocherfolgreiche klassische
Siegerin.
Oleander (Turf-Times)
Oleander (Turf-Times)
Baron Oppenheims Oleander dürfte das beste deutsche
Rennpferd gewesen sein. (Gewinnsumme: 580.950 Mark.) Als Zweijähriger
erlitt er bei der Morgenarbeit einen schweren Unfall.
Veterinär-Koryphäen stellten die Diagnose: Beckenbruch, theoretisch
unheilbar. Der Besitzer stimmte der Tötung zu.
Nur George Arnull widersetzte sich.
Wenige Tage später begann der Patient mit dem "unheilbaren" Bein die ihn
belästigenden Fliegen zu verscheuchen. Eine Serie von Siegen folgte.
Drei Jahre hintereinander gewann er den Großen Preis von Baden-Baden
gegen internationale Klasse und zweimal den Großen Preis von Wien gegen
französische englische und ungarische Konkurrenz.
In der Zucht hielt Oleander als Vaterpferd das, was man auf Grund seiner
Rennklasse erwarten durfte. Schwarzliesel (die Mutter der Wunderstute
Schwarzgold) und Sturmvogel, der im Großen Preis von Berlin unter Willy
Printen den Grand Prix de Paris-Sieger Admiral Drake schlagen konnte,
waren seine ersten Produkte.
Der Spiegel, 1950
Graf Sponeck erstellte alljährlich die Deckpläne und stimmte sich mit
dem Baron darüber ab. Nicht überliefert ist, wo und von welchem Hengst
Schwarzliesel 1936 eigentlich gedeckt werden sollte. Sehr wohl
überliefert ist jedoch, dass sie sich standhaft einer jeden Bedeckung
verweigerte, so dass Sponeck sein Leid schliesslich dem Grafen Kalnein
klagte.
Kalnein war zu dieser Zeit Landstallmeister von Garditz und informierte
seinen alten Gestütsmeister Hinrichs, der lachend antwortete: “Soll er
sie man zu uns schicken, aus Graditz ist noch kein Mädel und keine Stute
ungedeckt herausgekommen.“
So reiste Schwarzliesel nach Graditz und kehrte tatsächlich tragend von
Alchimist auf die heimatlichen Koppeln zurück. Alchimist war der
Derbysieger von 1933 und galt als einer der herausragensten Hengste des
staatlichen Hauptgestüts.
1937 brachte Schwarzliesel ihr Stutfohlen Schwarzgold zur Welt, von der
Meistertrainer George Arnull rückblickend erzählte: “Sie war kein
hübsches Pferd, ein etwas grobes. Vor allen Dingen hatte sie einen
ziemlich grossen Kopf.“
Wie üblich wurde Schwarzgold dann spät im Herbst als Jährling mit all
den anderen Jahrgangsgefährten aus Schlenderhan, die Sponeck und
Oppenheim dazu ausersehen hatten, per Eisenbahntransport dem Trainer
George Arnull in Neuenhagen bei Hoppegarten überstellt.
Arnull schreibt: „Schwarzgold war entweder das am schwersten oder am
leichtesten zu trainierende Pferd, das ich je gehabt habe. Sie hat ihre
Arbeit einfach selbst gemacht. Nur auf der Sandbahn war es möglich mit
ihr eine leichte Arbeit zu machen. So wie sie auf die Grasbahn kam zog
sie ab und machte ihre Arbeit nach ihrem Gutdünken.“
Recht eigenwillig setzte die bereits recht eigenwillig gezeugte Stute
also früh ihre Akzente.
Alsbald wurde allen Beteiligten klar, dass die junge Stute über ein ganz
besondere Klasse verfügte. Bereits zweijährig sorgte sie in ihrer ersten
Rennsaison für legendäre Kommentare in den Rennberichten, die später oft
und gern immer wieder wiederholt wurden und so nicht unerheblich zu dem
bis heute unsterblichen Ruhm Schwarzgolds beitrugen. "Schwarzgold mit
Weile", sollte der übliche Richterspruch jener Zeit später lauten.
Ihr Debut gab die Stute zweijährig wie folgt: „Als ein Drittel des Weges
zurückgelegt war, lag die Schlenderhanerin klar in Front, Nach halbem
Weg ging sie vor dem Feld spazieren, im Ziel hatte sie einen Vorteil,
den der Richter milde mit einem halben Dutzend Längen berechnet,
praktisch war aber von dem Augenblick an, in dem die Bänder hochgingen,
kein Pferd ausser Schwarzgold im Rennen.“
Schwarzgold (Turf-Times)
Die „Internationale Woche“ in Baden Baden bot im August 1939 mit dem
„Zukunfts-Rennen“ die bedeutendste Prüfung für Zweijährige auf. Unter
den Zuschauern auf der Besitzertribüne war auch Frederico Thesio
zugegen, Lichtgestalt des internationalen Rennsports und der
Vollblutzucht. Der siebzigjährige Thesio sah mit an, wie seine in
Italien bis dahin ungeschlagene Coronary vergeblich kämpfte, aber auch
die Vertreter prominenter Rennställe wie Waldfried, Graditz und
Zoppenbroich erlebten staunend, „wie ein echtes Ausnahmepferd mit einem
Elitefeld spielte.“ „Die Favoritin war nie in Gefahr. Vom Knick an stand
aber auch schon fest, dass sie ohne Mühe gewinnen würde. Mit ständig
wachsendem Vorsprung zog die Schlenderhanerin von den anderen weg. … Mit
so unbeschreiblicher Überlegenheit werden Rennen nur von Ausnahmepferden
gewonnen. Die Alchimist-Tochter bestätigt hier nicht nur ihren
spielenden Sieg im Sporn-Rennen und Orchidee II Rennen, sondern übertraf
schlichtweg alles, was man ihr auch nur hätte zutrauen können. Wir haben
an dieser Schlenderhanerin ohne Frage ein Pferd von ganz überragendem
Können.“
Spätestens jetzt war auch den mitgereisten Graf Sponeck und Trainer
George Arnull endgültig klar, dass Schlenderhan die seltene Gunst zuteil
wurde nach Alba und Oleander ein drittes grosses Pferd hervorgebracht zu
haben.
Nur wenige Tage später brach der zweite Weltkrieg aus.
Hoppegarten wurde nun zum nationalen Hauptschauplatz des Rennsports und
während die deutsche Luftwaffe Warschau bombardierte empfing der
Union–Klub im September zum Meeting. Im Mittelpunkt stand als
Hauptereignis das Renard-Rennen der Zweijährigen, zu dem die Sport-Welt
ihre Leser bereits vorsorglich informiert hatte: “Die heutige Prüfung
wird leider nur drei Pferde am Start sehen, denn die Überlegenheit von
Schwarzgold über allen anderen Pferde ihres Jahrgangs ist so gross, dass
sich ihre Altersgefährten gegen sie nicht herauswagten.“
Und es kam wie allgemein erwartet. Schwarzgold kam, sah und siegte.
Schon noch einem Drittel des Weges musste sich ihr Jockey Hans Berndt
„ganz schön zur Seite beugen um überhaupt zu sehen, wo die anderen
blieben, denn weit und breit war nichts zu sehen, erst in geraumer
Entfernung mühten sich zwei wahrhaftig nicht schlechte Pferde ab, auch
in Erscheinung zu treten.“
Nach diesem unvergesslich starken Berliner Auftritt war das Wort von der
Wunderstute endgültig in aller Munde.
Im
Jahr darauf lautete die alle bewegende Frage: Wird Schwarzgold auch als
Dreijährige überzeugen?
Der Auftakt enttäuschte mit einem zweiten Platz beim Henckel-Rennen,
dessen Ablauf Schwarzgold im Vorfeld allerdings die etwas zweifelhafte
Ehre bescherte, künftig nur noch mit einem Begleitpferd an den Start
gebracht zu werden. Ihre Luftsprünge beim Aufgalopp waren für den Jockey
Gerhard Streit nur schwer in den Griff zu bekommen und vorausgaben
sollte sie sich auch nicht.
Fortan gab es also ein Führpferd.
Bereits das nächste Rennen gewann das Wunderpferd dann wieder mit sechs
Längen und stellte den Ruf des „Überpferdes“, wie ihr nun ständiger
Jockey Gerhard Streit sie nannte, wieder her.
Gerhard Streit gehört nicht zum "Club der 1.000
Sieger" und seine Popularität erreichte kaum die eines Otto Schmidt,
Fritz Drechsler oder 'Hein' Bollow. Dennoch war Gerhard Streit einer der
bedeutendsten Jockeys, die der Turf je hervorgebracht hat.
Es sind auch nicht seine über 900 Erfolge, die seine große
Reiterkarriere auszeichnen, sondern sein großes Einfühlungsvermögen für
die ihm anvertrauten Pferde, sein taktisches Gespür im Rennen und seine
starke Finishkraft waren unübersehbar. Gerhard Streit überschätzte dabei
nie die Leistungskräfte seiner Pferde. Vom Peitschengebrauch hielt er
nicht viel. Wenn er merkte, dass sein Pferd in der entscheidenden Phase
eines Rennens nicht mehr mithalten konnte, dann nahm er die Hände
herunter.
Hamburger Derby-Woche
Voller Zuversicht sah man dem Stuten-Derby, dem Preis der Diana über
2000 Meter, in Hoppegarten entgegen. Es sollte sich um das bisher
kleinste Starterfeld von nur vier Pferden handeln und das lag nicht
daran, dass die Welt Krieg führte.
Erneut kam Schwarzgold, sah und siegte.
Unter dem vom Militärdienst befreiten
Stalljockey Gerhard Streit jagte Schwarzgold mit vierundzwanzig Längen
in der bis heute nicht wieder erreichten Rekordzeit von 2:04 Minuten am
Zielpfosten vorbei.
Schwarzgold mit Weile.
George Arnull und Gerhard Streit
Am 30. Juni fand das Hamburger Derby statt, das nun nicht mehr den
englischen Titel "Derby" tragen durfte sondern politisch korrekt
umbenannt worden war in der "Große Deutschlandpreis der Dreijährigen".
Auch "Blaues Band" durfte das Derby nicht heissen, weil das in
Konkurrenz zum "Braunen Band" in München gestanden hätte, jenes Rennen,
das Christian Weber, einstiger Sicherheitsbeauftragter und einer der
wenigen Dutzfreunde Adolf Hitlers, in einer opperettenhaften
Selbstinszenierung als Präsident des „Kuratoriums für das Braune Band
von Deutschland“ als das "wichtigste Rennen Deutschlands" ins Leben
gerufen hatte. Als solches war es auch dotiert: Mit einhunderttausend
Reichsmark sollte es das mit fünfzigtausend Mark bislang höchstdotierte
Hambuger Derby sogleich sichtbar in den Schatten stellen. Im März 1933
hatte Hitler Weber zum Präsidenten des Kreistags von Oberbayern ernannt,
dazu war er Präsident des Münchner Kreistages, Ratsherr für die NSDAP
und Wirtschaftsbeauftragter für München. Nebenberuflich amtierte er als
Präsident des „Wirtschaftsbundes Deutscher Rennstallbesitzer und
Vollblutzüchter“.
Dreissigtausend Zuschauer wurden Zeugen, wie Schwarzgold am 30.
Juni 1940
das Hamburger Derby mit zehn Längen und in einer "nie zuvor
erlebten Überlegenheit" gewann. Ein Richterspruch von zehn Längen war
wie ein Ritterschlag. Vier galten als das allerhöchst Erreichbare und
waren in den letzten vierzig Jahren nur von wenigen Pferden geschafft
worden, zehn waren in der Tat eine Sensation, die viele kaum glauben
konnten.
Schwarzgold mit Weile.
Wenige Tage später erhielt Waldemar von Oppenheim vom Präsidenten des
Münchner Rennvereins Christian Weber eine Einladung mit Ehrenkarten zur
persönlichen Teilnahme am "Braunen Band von Deutschland". Was dann in
den nächsten zwei Tagen geschah, sollte als einer der grössten Skandale
in die deutsche Rennsportgeschichte eingehen. Über den Ablauf der
Ereignisse liegen widersprüchliche Informationen vor. Nur der
Hauptgeschädigte Waldemar von Oppenheim hat sich mit keinem dazu Wort
geäussert und keine Zeile darüber hinterlassen.
Bis 1940 hatte Christian Weber sich durch Druck und Drohung ein
bayerisches Vollblutimperium aufgebaut, dazu gehörten riesige Länderein, die er zum
Schein für das "Kuratorium des Braunen Bandes" gekauft oder gepachtet
hatte. Wer sich gegen die Abgabe des Besitzes wehrte wurde von der
Gestapo verhaftet und in das Konzentartionslager Dachau gebracht. Zum
Zeitpunkt des Gespächs mit Waldemar von Oppenheim besaß Weber 200
Vollblüter, Krönung dieses Bestandes sollte die Wunderstute Schwarzgold
werden. Weber machte ein Kaufangebot und Oppenheim lehnte ab. Über die
beiden Schlenderhaner Pferde Octavian und Schwarzgold wurde ein
Startverbot verhängt und mit Waffengewalt durchgesetzt.
Zwar durften die Pferde die Heimreise wieder antreten, vollständige
Enteignung schien jedoch nur noch eine Frage der Zeit. Die drohende
Gefahr für Rennstall und Gestüt war allen offensichtlich geworden und
auch Waldemar von Oppenheim konnte ich dieser Erkenntnis nicht länger
entziehen.
Ende August siegte Schwarzgold erneut im Hoppegartener "Oleander-Rennen"
gegen nur drei Pferde, darunter Octavianus.
"Schwarzgold mit Weile", lautete ein weiteres Mal der Richterspruch.
Am 15. September 1940 sollte Schwarzgold im Grossen Preis der
Reichshauptstadt ihrer einzigartigen Karriere einen weiteren Erfolg in
einem klassischen Rennen hinzufügen. Wie überzeugt man von einer
weiteren Wundertat der Wunderstute war, bewies der Zielrichter Paul
Barthels, der sich im Vorfeld von der Rennleitung die Erlaubnis
einholte, den in der Rennordnung nicht vorgesehenen Spruch "Verhaltene
Weile" anwenden zu dürfen.
Den Verlauf dieses wohl denkwürdigsten Rennens, das je auf einer
deutschen Bahn gelaufen wurde, erzählt George Arnull:
"Schwarzgold lief dieses Rennen in einer Manier, die die lebenden
Zeitgenossen wohl noch nicht gesehen hatten. ... Während unsere Stute
wohl 200 Meter vor den anderen daherflog, fing das Publikum auf den
Tribünen teils an zu klatschen, teils zu lachen. Es war in der Tat ein
fast lächerlicher Anblick, wie Schwarzgold die besten Vertreter der
deutschen Vollblutzucht zu Reitpferden deklassierte."
Über die Hoppegartener Bahn brauste orkanartiger Jubel auf, als Gerhard
Streit mit der Stute unvorstellbare einhundert Meter vor Samurai, dem
acht Längen dahinter der Dritte folgte, fast zum Schritt verhalten
gemächlich die Ziellinie passierte.
"Schwarzgold first - the rest nowhere!" - dieser Eclipse-Spruch aus dem
Jahr 1768 galt nocheinmal für ein wahrhaft grosses Pferd.
Es sollte Schwarzgolds letzter und grösster Triumph werden. Kurz darauf
wurde sie von einem schweren Husten befallen und kehrte früher als
geplant in ihre Heimat nach Schlenderhan zurück. Fortan sollte sie ihren
Platz als Mutterstute in der heimatlichen Stutenherde finden.
Man war sich einig, Schwarzgold galt als Galoppierwunder und
Ausnahmepferd. Und wenn sie auch anders als die im Vergleich
ungeschlagene Nereide ganze drei Niederlagen in ihrer Laufbahn hatte
hinnehmen müssen, so erhielt sie doch in dem seit 1938 verbindlich
eingeführten Generalausgleichsgewicht mit 113,5 kg die höchste jemals in
Deutschland vergebene Bewertung. Die ungeschlagene Nereide lag nur bei
107 kg.
Für Schlenderhan war Schwarzgold neben Alba und Oleander das
herausragenste Pferd.
"Ob dieses Galoppierwunder wirklich das beste Pferd
war, das ich trainiert habe? Manchmal bin ich geneigt, diese Frage zu
bejahen, dann denke ich aber wieder an meinen fünfjährigen Oleander und
bin wieder im Zweifel. " George Arnull über Schwarzgold.
Quelle: Harald Siemen 150 Jahre Hamburger Renn-Club e. V. "Derbybuch"
In den ersten Monaten des kommenden Jahres verdichteten sich die
Schatten des Krieges. Über Schlenderhan jedoch lag die unheilvolle
Drohung aus München. Waldemar von Oppenheim wusste, dass Weber nicht
aufgeben würde und erwartete täglich die Eröffnung der
Feindseeligkeiten. Am 5. Mai 1941 kam der Schlag aus Berlin. Franz
Chales de Beaulieu, der Generalsekretär des Union Klub, schrieb in einem
persönlichen und vertraulichen Einschreiben an die vier Brüder
Oppenheim: "Auf Entscheidung des Führers sind die Pferde des Gestüt
Schlenderhan unverzüglich in anderweitigen Besitz und Eigentum zu
überführen und zwar in einer Weise, die den den geschlossenen
Fortbestand der deutschen Spitzenzucht auch weiterhin sicherstellt. Eine
Versteigerung oder Teilung des Materials kommt daher unter keinen
Umständen in Frage."
Zwar waren die beiden in der Bank tätigen Brüder Waldemar und Friedrich
Carl seit August 1940 im Besitz einer Bescheinugung der NSDAP Gauleitung
Köln-Aachen, "die beiden Brüder sind also, da weitere jüdische
Versippung nicht vorliegt, nach den Nürnberger Gesetzen als Mischlinge
zweiten Grades anzusprechen. Daraus ergibt sich, dass ihnen
wirtschaftliche Nachteile nach den bestehenden Gesetzen nicht erwachsen
dürfen." Jedoch schützte eine derartige Einstufung sie nicht vor dem
Zugriff der Nazi Obrigkeit. In einem Staat der Willkür gab es keine
Möglichkeit, sich gegen den Zwangsverkauf zu wehren.
Man spielte auf Zeit.
Im Gestüt und im Rennstall ging die Arbeit unbehelligt weiter. Im Sommer
1941 fand das Derby in Hamburg statt und die Rennwelt wusste von dem
drohenden bevorstehenden Verkauf Schlenderhans, Gerüchte und
Spekulationen blühten. Unter dem Sattel von Georg Streit sollte Magnat
die Farben von Schlenderhan im Derby vertreten. Waldemar von Oppenheim
war mit Sponeck nach Hamburg gereist und trat dort als Besitzer von
Schlenderhan demonstrativ auf dem Sattelplatz im Führring und auf den
Tribünen auf. Magnat vollbrachte das Unmögliche: Er gewann das Derby und
verschaffte Schlenderhan damit den bis heute einzigartigen Triumph,
viermal hintereinander das Derby gewonnen zu haben!
Magnat sollte später Vater der einzigen bis heute linienbewahrenden Tochter
Schwarzgolds werden, daher sei dem dreijährigen Schlenderhaner
Derbysieger an dieser Stelle ein sehr berechtigter kleiner Exkurs
gegönnt.
Aus der vierunddreissigköpfigen Gruppe der 1941 im Training stehenden
Schlenderhaner Pferde ragten zwei heraus: Magnat und Samurai.
Der ursprünglich auf den Namen "Mit Rückenwind" getaufte Magnat galt als
Hoffnungsträger der Saison. Allerdings machte sein Charakter nicht
unerhebliche Schwierigkeiten. Mitunter bleib er am Start einfach stehen,
so im Preis von Dahlwitz, als er einfach nicht absprang. Im Stall
attackierte er Pferde, die er nicht leiden konnte, am Start benahm er
sich ungebärdig und stürzte sich beissend auf Konkurrenten.
Doch "als er im Henckel-Rennen am Start sogleich seinen Reiter verlor,
entlief, wieder eingefangen wurde und nach schwerem Startverlust dennoch
mit einer halben Länge gewann, da wusste man, dass er ein Könner war."
In einem seiner Jahresberichte schreibt Sponeck von der neuen Strategie,
Magnat an den Start zu bringen. Man stellte ihn allein ganz aussen auf
der am meisten benachteiligten Position auf und der Trainer ging selbst
mit, um ihn an den Start zu bringen. Magnat benahm sich mustergültig.
Und wenn er auch in Folge der Startaufstellung ganz aussen stets einen
Bodenverlust in Kauf nehmen musste, so gewann er trotzdem. Mit der
selben Strategie brachte man ihn dann auch im Derby 1941 an den Start.
Als Magnat später als Deckhengst auf Schlenderhan wirkte soll er sich
allerdings tadellos benommen haben. Der Hahn im Korb prägt auch unter
Tieren ein anderes Verhalten als unter seinesgleichen Konkurrenten. Dennoch macht es
schmunzeln, welch eigensinniger Charaktäre es offensichtlich bedarf,
herausragende Leistungseigenschaften hervorzubringen. Es ist durchaus
bemerkenswert, dass die späterer Linienbewahrerin der Schwarzgold ein
Produkt des Eigensinns zu sein scheint:
Die eigensinnige Schwarzgold und der eigensinnige Magnat.
Mit den Braven gewinnt man eben keinen Krieg. Wer Leistungspferde
züchten will, der sollte sich dessen bewusst sein.
Das Derby 1941 markierte einen dramatischen Höhepunkt im Verlauf der
Ereignisse. In einem Mahnschreiben hatte Chales de Beaulieu den Tag des
Derbys als spätesten Zeitpunkt genannt, zu dem der Verkauf der Pferde
abgewickelt sein müsste.
Es war gewagt, sich in dieser heiklen Situation in Hamburg persönlich zu
zeigen und auch noch strahlend die Siegerschleife für den grossen
Deutschlandpreis entgegenzunehmen. Doch Waldemar von Oppenheim hatte das
richtige Gespür für die Berliner Gemengelage. Im Ministerium zeigte man
sich uneinig, ob die Pferde an private Interessenten verkauft oder
Gestüt und Rennstall von der Staatsgestütsverwaltung übernommen werden
sollten. In München wurde Christian Weber ungeduldig und beklagte in
einem Brief an den Chef der Reichskanzlei falsche Ratgeber und das
verzögernde Hin und Her.
Vermutungen legen nahe, dass Weber Heinrich Himmler für den "Fall
Schlenderhan" zu gewinnen versuchte und dabei das gespannte Verhältnis
der SS zur Wehrmacht ins Spiel brachte. Das "Heeresvollblutgestüt
Altefeld" stand seit 1935 in Besitz der Wehrmacht und betrieb in
Hoppegarten einen eigenen Rennstall, dessen Erfolge die SS mit Neid
registrierte. Die SS sollte sich Schlenderhan sichern und so erschien im
darauffolgenden Sommer 1942 eine Gruppe von SS-Offizieren zur Inspektion
und Bestandsaufnahme auf dem Schlenderhaner Gestütsgelände. An der
Spitze stand der Beauftragte Heinrich Himmlers, SS-Obersturmführer Kurt
A. Becher, der im Polen- und Russlandfeldzug mit SS-Kavallerieeinheiten
an der "Partisanenbekämpfung" und "Säuberungsaktionen" teilgenommen
hatte, bei denen Tausende von Juden mit unvorstellbarer Grausamkeit
ermordet wurden.
Wenige Wochen später kam ein kleiner Kreis von Personen in der Berliner
Reichskanzlei zusammen, darunter Dr. Robert Pferdemenges als Vertreter
der Familie Oppenheim, und man kam überein, zunächst die Pferde im
Gestüt und Rennstall gegen einen noch festzulegenden Preis zu
übernehmen, während das Schloss und die Ländereien erst in Besitz der
Waffen-SS kommen sollten, wenn der Familie Oppenheim ein gleichwertiges
Gut zum Kauf angeboten würde.
Es war das Jahr 1942.
Die Ereignisse in Rennstall und Gestüt verliefen wenig erfreulich, nach
vier Jahren ununterbrochener Spitzenstellung blieben grosse sportliche
Erfolge aus. Magnat erwies sich vierjärig als völliger Ausfall, nachdem
seine Unart, am Start einfach stehen zu bleiben, wieder Oberhand
gewonnen hatte und mehrere Rennen verdarb.
Und auch die Abfohlsaison brachte wenig Grund zur Freude. Acht Stuten
nahmen gar nicht auf, es gab mehrere Totgeburten, vier Stuten
verfohlten, darunter Schwarzgold. Zu den Lichtblicken zählte Oleander,
der zum siebten Mal Champion der Deckhengste wurde.
Allein Sponecks Plan für die nächste Deckperiode las sich
vielversprechend. Für Schwarzgold und eine weitere Stute hatte Sponeck
es nach Überwindung einiger Hürden geschafft, im "Heeresgestüt Altefeld"
Sprünge der beiden Deckhengste Bubbles und Pharis zu erwirken. In die
Paarung von Schwarzgold an Pharis setzte er grosse Hoffnungen. Der
bildschöne Rapphengst war einer der ganz grossen Franzosen mit Siegen im
"Prix du Jockey Club" und "Grand Prix de Paris" und nach dem Einmarsch
deutscher Truppen im August 1940 in Paris requiriert und nach
Deutschland gebracht worden.
Schwarzgold
www.rennstall-woehler.de
Dem Zuchtstutendasein Schwarzgolds sollte jedoch kein Ruhm beschieden
sein. Wie das so ist mit erfolgreichen Sportpferden:
Eigenleistung und Vererbung derselben, oder auch nur die Eignung als
Zuchtpferd an sich, sind unterschiedlichen Gesetzen der Natur
unterworfen. In neun Jahren als Zuchtstute sollte sie nur zwei
Nachkommen zeugen. Sie blieb viermal güst, verfohlte zweimal und wurde
einmal nicht gedeckt.
Gleichwohl sollte ihre Reise ins Heeresgestüt Altefeld im Jahr 1942 die
gesunde Geburt eines Stutfohlens im darauffolgenden Sommer 1943 nach
sich ziehen. Allerdings müssen die Ereignisse auf Altefeld anders
verlaufen sein, als ursprünglich von Graf Sponeck geplant. Vater dieses
ersten Fohlens der Schwarzgold wurde nicht etwa der französische Pharis
sondern der ebenso oben genannte Bubbles, der jedoch für eine andere
Stute vorgesehen war. Diese erste Tochter der Schwarzgold, die 1943
geboren wurde, wurde auf den Namen Schwarze Perle getauft. Ihr späteres
Wirken im bayerischen Gestüt Lechtal jedoch war nur von
durchschnittlichem Erfolg gekrönt. Es sollten vier weitere Jahre ins
Land ziehen bis Schwarzgold mit ihrer zweiten Tochter Schwarzblaurot ein
Stutfohlen zur Welt brachte, das später die wertvolle Stutenlinie der
Schwarzen Kutte (Mutter der Schwarzliesel und Grossmutter Schwargolds)
bewahrte.
Im Jahr 1942 war die SS zwar neuer Herr im Hause Schlenderhan, aber es
veränderte sich nur wenig. Hätten sich in den Stallungen nicht immer mal
wieder Männer in SS-Uniform gezeigt, niemand wäre auf den Gedanken eines
Besitzwechsels gekommen. Sponeck durfte seine Position als Gestütsleiter
behalten. Waldemar von Oppenheim musste sich allerdings hüten, allzu
häufig mit Sponeck gesehen zu werden, damit nicht der Verdacht aufkam,
er nähme Einfluss auf den Zuchtbetrieb. Im Juni 1943 fand das Deutsche
Derby in Hoppegarten statt. "Die pferdezüchterische und wehrpolitische
Bedeutung des Rennsports gibt Anlass, dass Leistungsprüfungen des
Vollbluts auch in der totalen Kriegsführung fortgesetzt werden." Der
Derbysieger hiess Allgäu, als Besitzer wies der in Runenzeichen
gehaltene Programmzettel das "SS-Gestüt Schlenderhan" aus.
Am 20. Juli 1944 scheiterte ein weiterer Attentatsversuch von
Heeresoffizieren auf Adolf Hitler. Noch am selben Abend wurden Graf von
Stauffenberg und seine engsten Mitverschwörer erschossen. Wenige Tage
danach erschien die Geheime Staatspolizei auf Schlenderhan und
verhaftete Waldemar von Oppenheim. Nach drei Wochen Einzelhaft wurde
Oppenheim, "eher aus Versehen", entlassen und kehrte gebrochen nach
Schlenderhan zurück. Die Familie floh und entzog sich einer weiteren
Verhaftung im Versteck eines Dachgeschosses in Köln. Im Februar 1945
stand die US Infanterie vor den Toren Schlenderhans. Von einem englisch
sprechenden Wehrmachtsoffizier erfuhren die Amerikaner, dass sie das
berühmteste deutsche Rennpferdegestüt erobert hatten, das sich in Besitz
eines einflussreichen, aber von den Nazis verfolgten Barons befände, der
sich mit seiner Familie in einem Versteck aufhalte.
Am 9. März 1945 brachte ein amerikanischer Jeep den Baron mit Gattin und
Tochter nach Schlenderhan zurück.
Unter grossen Schwierigkeiten gelang es Kontakt zu Sponeck aufzunehmen,
der Oppenheim Einzelheiten über Schlenderhan während der sieben Monate
seiner Abwesenheit im Versteck schilderte. Im Frühjahr 1945, zwölf Stunden vor
Eintreffen der US Panzer, hatten "einige wilde SS-Offiziere den alten
Grafen Sponeck gezwungen, sich abzusetzen, die Pferde auf Lastwagen zu
verladen und sofern der Platz nicht ausreichte, die tragenden Stuten an
die LKW anzubinden. Sie wurden in Richtung Bayern abtransportiert.
Wertvolles Material konnte nicht gerettet werden."
Den Kriegswirren und einem viel zu spät erlaubten Fluchtversuch
erlag auch Alchimist, der Vater Schwarzgolds. Graf Kalnein war es erst
im letzten Moment erlaubt, das Hauptgestüt Graditz zu evakuieren.Als es
soweit war fehlten jedoch Transportkapazitäten. Kalnein versuchte
wenigstens die beiden Hengste Alchimist und Tricameron mit den
wertvollsten Stuten im Fussmarsch zu retten. Der kleine Treck fiel
jedoch den Russen in die Hände und Alchimist, der sich hartnäckig
weigerte, sich anspannen zu lassen, wurde von den Russen erschossen und
endete "in der Feldküche der Roten Armee".
Eine Gruppe von Schlenderhaner Pferden war mit Einheiten einer
abrückenden SS-Panzer Division zuerst nach Zell am See in Bayern und
später Ende Mai 1945 in Niederseeon gelandet. Im Fussmarsch kamen die
Hengste Oleander, Samurai, Magnat, Allgäu und siebzehn Stuten, unter
ihnen Schwarzgold und ihre Mutter Schwarzliesel sowie vier Fohlen, auf
den Landsitz der Familie von Wedelstädt. Olga von Wedelstedt war
Gutsherrin und passionierte Pferdefrau in einer Person. Ihr war sofort
klar, welch wertvoller Pferdebestand da auf ihrem Hof Station machte und
sie tat ihr Möglichstes, die Schlenderhaner Herde zu schützen und
retten. Olga von Wedelstedt sollte in die Geschichte eingehen als
Wohltäterin und Bewahrerin der Schlenderhaner Pferdezucht.
Über die Ereignisse vom 26. Mai bis 22. Juni 1945 führt sie ein
wertvolles fünfzehnseitiges Manuskript.
1200 Mann stark ist die SS-Truppe, die auf ihrem Hof Station macht. Aus
Gesprächen mit Pferdepflegern erfährt sie, dass die vier Zuchthengste
erschossen werden sollen, um nicht den Russen in die Hände zu fallen.
Die Stuten sollen auf einzelne Bauernhöfe verteilt werden. Bei dem
zuständigen SS-Kommandeur setzt sie sich für den Verbleib der Pferde auf
ihrem Hof ein, um "das Edelste und Beste, was Deutschland überhaupt an
Vollblut besitzt, nicht nun ganz zum Schluss noch kaputt zu machen." Sie
spricht von Volksvermögen und unersetzlichen Werten und davon, dass die
bayerischen Bauern die Pferde verkommen lassen würden weil sie sie weder
melken noch vor den Wagen spannen könnten und sie ausserdem den Kühen
das letzte Heu und knappe Gras wegfrässen.
Welches der Argumente am Ende den Ausschlag gab, ist nicht überliefert.
Es ist anzunhemen, dass der SS-Kommandeur die ökonomische Vernunft
anerkannte. So war sein Einverständnis gebunden daran, dass er auch
keinen einzigen Pfleger mit den Pferden zurücklassen würde.
Ohne Personal und nur mit Hilfe von zwei sechzigjährigen Landarbeitern
und einem vierzehnjährigen Burschen bringt Olga von Wedelstedt vierzig
zum Teil verletzte und stark abgemagerte Pferd durch, bis die Amerikaner
einmarschieren. Die amerikanischen Truppen hatten bereits alle
SS-Turnierpferde zum Abtransport nach Übersee in ein Sammeldepot nach
Pullenhofen verbracht und versprachen sich weitere potentielle
Sportpferde.
Auf Gut Wedelstedt wollten sie die Pferde nicht nur mustern sondern auch
reiten. Ein Texaner bestand darauf, den Hengst Allgäu zu reiten und
lediglich die Ausrede der Gutsherrin, dafür stünde kein Sattel zur
Verfügung, hielt ihn davon ab. Sie erwirkte schliesslich ein
schriftliches Zertifikat eines verständigen Kommandeurs, dass die
Zuchtpferde nicht geritten werden düften und wurde getrieben von der
ständigen Angst, dass die Pferde dennoch beschlagnahmt würden. Den
Abtransport Schwarzgolds konnte sie mit der Notlüge verhindern, dass die
Stute hochtragend sei und demnächst abfohlen würde und ein Transport
daher nicht in Frage kam.
In ihrem Manuskript zeichnet Olga von Wedelstedt ein liebevolles Bild
von den Pferden und beschreibt ihre Zuneigung zu Oleander und dem
herrlichen Fuchs Allgäu, sowie anfänglich Ängste vor dem ungebärdigen
Magnat. "Wenn er in seiner Box angeredet wird, beisst er in die Stangen
und rollt wild mit den Augen."
Mitte Juni hat sie es möglich gemacht, dass jeden Tag im Radio ein
kurzer Hinweis auf die Schlenderhaner Pferde in Niederseeon gesendet
wurde und sie hofft, dass Graf Sponeck die Botschaft hören wird.
Friedrich Carl von Oppenheim ist der erste, der auf seinem Zufluchtsort
auf Schlossgut Ast bei Landshut von den Pferden hört und sofort mit der
Militärregierung über Futterzuteilung und Rücktransport verhandelt. Am
22. Juni erscheint Graf Sponeck mit dem bewährten Gestütsmeister Karnath
in Niederseeon und die Gutsherrin ruft erleichtert aus: "Meine Pferdchen
sind gerettet!"
Die Pferde werden auf amerikanische Lastwagen verladen, wobei Allgäu und
Magnat noch einen "schrecklichen Hengstkampf aufführen, dass die
Trennbretter nur so krachen und splittern!"
Der Transport geht ins verlassene und unversehrt gebliebene ehemalige
Heeres-Vollblutgestüt Altefeld. Hier sollte Sponeck in vertrauter
Umgebung die Herde sammeln bis die heimatlichen Stallungen wieder
hergestellt und alle nötigen Genehmigungen erteilt waren. Noch immer
konnten die Besatzungsmächte im Zuge von Reparationsleistungen Pferde
beschlagnahmen und nach Belieben konfiszieren. So gingen Samurai,
Aventin und Anemone mit Fohlen bei Fuss in die USA.
Dank des mutigen Einsatzes Olga von Wedelstedts war Sponeck jedoch in
der Lage, zumindest mit einem verbliebenen Kernbestand die Weichen für
den Fortbestand der Schlenderhaner Zucht zu stellen und erneut Deckpläne
zu überlegen.
Im März 1947 musste der noch immer auf Altefeld wirkende Sponeck in
einem Brief Waldemar von Oppenheim vom Tode Oleanders auf Altefeld
berichten. Im Alter von 23 Jahren war der Hengst auf einer glatten
Stelle ausgerutscht und hatte sich ein Bein gebrochen.
"Bitten Sie Karnath, dass er einen schönen Stein ausfindig macht, damit wir
diesem herrlichen Pferd einen schönen Gedenkstein setzen können, gleich
neben dem seines Vaters."
1946 war Schwarzgold auf Altefeld von Magnat gedeckt worden und brachte
im Sommer 1947 ihr zweites und letztes Stutfohlen Schwarzblaurot zur
Welt.
Es bestand der Plan, dass Sponeck nach Ablauf der Weidesaison mit den
Pferden von Altefeld nach Schlenderhan umziehen sollte.
Gleichzeitig bestand noch immer Hoffnung, einige der vermissten Pferde
zu finden und einige der in die USA überstellten Pferde zurückzukaufen.
Im September 1947 war es soweit. Eine Lastwagenkolonne brachte die
Pferde von Altefeld nach Schlenderhan und die Stallungen füllten sich
wieder.
Im April 1948 übernahm auch George Arnull die Pferde aus Schlenderhan wieder
in seine Obhut als Trainer, das erfolgreiche alte Dreigestirn aus Gestütsleiter,
Besitzer und Trainer hatte wie durch ein Wunder wieder vollständig
zusammengefunden.
In den ersten Rennen nach Kriegsende ging die Alchimisttochter Aralia in
den blauroten Fraben an den Start. In vier Rennen ungeschlagen trat sie
am 1. August 1948 in Hamburg Horn zum Deutschen Derby an. Zur
Enttäuschung des Publikums, das auf den "Zaubernamen" Schlenderhan
setzte, wurde sie nur vierte, während ihr Halbbruder Birkhahn ein
überragendes Rennen lief und in den darauffolgenden Monaten derart auf
sich aufmerksam machte, das man Vergleiche mit Oleander und Schwarzgold
anstellte und ihn den "Löwen der Ostzone" nannte.
Mit Spannung hatten die Sachverständigen des
Rennsports – das ist in Hamburg ein Kreis, der vom Senator bis zum
Hafenarbeiter reicht – die Kunde vernommen, daß Birkhahn, der braune
Hengst aus Hoppegarten, der ungeschlagene Sieger in allen, letztjährigen
Rennen der Ostzone, sein Erscheinen zugesagt habe. (Natürlich hatte sein
Besitzer, Herr Wieland, in seinem Namen gesprochen.) Die „Berliner
Emigration“, die in Hamburg ausnehmend stark ist und deren Kreis vom
prominenten Schauspieler bis zum unermüdlich schwitzenden Postboten
reicht, vernahm diese Kunde sogar mit gewisser Rührung. Denn Birkhahn,
der in Hoppegarten, dem berühmten Gelände nahe der Reichshauptstadt
wohnt, ist so gut wie ein Berliner. Deshalb haben viele nicht nur aus
niederer Gewinnsucht, sondern aus höherem Solidaritätsgefühl auf diesen
ihren Landsmann, besser: auf dieses ihr Landspferd !gesetzt und sind
denn auch nicht enttäuscht worden. Aber sie wußten nicht, in welcher
Gefahr ihr Favorit schwebte ...
Wie man weiß, sind Rennpferde die prominenten Zeugnisse für die
Abstammungslehre. Und ob das wirklich nur ein Druckfehler war, daß
Birkhahn auf dem Programmheft als „dbr. St. v. Arjaman-Bulgaria“
angegeben wurde? Man sollte es glauben, denn die Lautsprecherstimme
überm Horner Rennplatz berichtigte dies sofort. Birkhahn ist ein
brauner, wunderschöner, riesig gewachsener Hengst, von dem jeder
Pferdekenner weiß, woher er stammt. Der Vater war der berühmte
„Alchimist“, der 1933 das Derby gewann, seine Mutter heißt „Bramouse“
und wurde aus Frankreich – wie die Franzosen sagen – entführt, oder –
wie die Deutschen sagen – gekauft und hoch bezahlt. „Bramouse“ aber hat
den Namen gewechselt. Sie soll sich immer noch in Deutschland aufhalten,
wenn man auch offiziell nicht weiß, wo. Die Franzosen nun, die
offensichtlich auf dem Standpunkt stehen, daß, wenn die Mutter nicht
greifbar ist, man sich am Sohne schadlos halten könne, beantragten,
Birkhahn solle beschlagnahmt werden. Sein Besitzer erfuhr von der
Gefahr, die seinem Birkhahn drohte, lud den Hengst in den Wagen,
versteckte ihn irgendwo in der Heide und tauchte erst wieder auf, als
ihm versichert wurde, er möge kommen, er werde sehen, daß nichts
passieren würde. (Offenbar ist die englische Behörde als Schutzmacht
aufgetreten.)
Die Zeit, August 1948
Es war nicht mehr Hoppegarten, Deutschlands
klassischer Turfrasen. Es war Köln, das jetzt mit rund 200 Rennpferden
Deutschlands bedeutendste Trainingszentrale ist.
Bundespräsident Theodor Heuss fand so viel Gefallen am Kölner
"Union"-Renntag, daß er seinen Wagen, der nach dem sechsten Rennen
bestellt war, noch warten hieß. Erst nach dem siebenten Rennen verließ
der Bundespräsident die Merheimer Bahn.
Dabei hatte Theodor Heuss erst am Vormittag im Gestüt Schlenderhan
versucht, die Anfangsgründe der Hippologie zu erwerben. Nur einmal
vorher in seinem Leben hatte der Bundespräsident ein Rennen gesehen. Das
war in Italien. "Aber damals interessierten mich die südländischen
Zuschauer mehr als die Pferde," meinte Heuss.
Mit seinem "Union"-Besuch in Köln nahm Theodor Heuss eine Tradition der
Aera Hindenburg wieder auf. Reichspräsident von Hindenburg wohnte einmal
im Jahr der Entscheidung des Hoppegartener Hindenburg-Rennens bei und
überreichte selbst die Ehrenpreise.
Noch ein Jahr vor seinem Tode fuhr er als 86jähriger nach Hoppegarten.
Als er einmal am Tage des Hindenburg-Rennens krank war kam er zu einem
anderen Renntag.
Sein Nachfolger Hitler betrat nie eine Rennbahn. Eine der zahllosen
Aversionen Hitlers richtete sich gegen Pferde. So betrat mit Theodor
Heuss nach 17 Jahren zum ersten Male wieder ein deutsches
Staatsoberhaupt eine Rennbahn.
Der Spiegel, Juni 1950
Für den Rennstall Schlenderhan war 1950 kein gutes Jahr. Viele Pferde im
Rennstall wurden von Krankheit geplagt, was zu Ausfällen führte. Arnull hatte
zwanzig Pferde im Training, darunter die nun dreijährige Tochter der
Schwarzgold, Schwarzblaurot, die den "Deutschen Stutenpreis" in Mülheim
gewann.
Im Oktober 1950 hatte Sponeck eine schwere Entscheidung zu treffen. Zwei
mit Streptokokken infizierte und seit Jahren güst gebliebene Stuten,
darunter Schwarzgold, mussten getötet werden, weil sie den Bestand
gefährdeten. Es war ihr in all den Jahren mit nur zwei eher
durchschnittlichen Töchtern nicht vergönnt, in der Zucht den Erfolg am
Zielpfosten zu wiederholen. Möglicherweise hat der Abschied von
Schwarzgold bei Sponeck das Gefühl bestärkt, dass es nun auch für ihn an
der Zeit sei, seinen Abschied zu nehmen. Im Alter von 77 Jahren begann
er, nach einem Nachfolger Ausschau zu halten und entschied sich für
Ewald Meyer zu Düte, dem Gestütsleiter von Mydlinghoven, den Sponeck als
sachkundiges Mitglied der Zuchtkommission schätzte.
Der Mann aus dem Münsterland, der den Spitznamen Tütenmeyer mit Fassung
trug, schien der Richtige zu sein und trat zum 1. April 1951 auf
Schlenderhan an um sich von Sponeck in die neue Aufgabe einarbeiten zu
lassen.
Das Jahr 1969 kam und mit ihm das hundertjährige Jubiläum Schlenderhans
und das Jubiläumsjahr begann sportlich verheissungsvoll. Zum achten Mal
wurde im Mai in Düsseldorf das Schwarzgold-Rennen ausgetragen und die
Pantheon-Tochter Schönbrunn galoppierte allen anderen Rivalinnen
uneinholbar davon. Drei Wochen später wiederholte sie ihre Glanzleistung
in Mülheim, als sie den Preis der Diana überlegen gewann. Zuchtexperten
werteten diese Erfolge als Zeichen dafür, dass die bereits totgesagte
Familie der Schwarzen Kutte wieder an Einfluss gewann. Mit ihren beiden
Enkeln, den Vollgeschwistern Schwarzgold und Sturmvogel, dem
Schlenderhaner Derbysieger des Jahres 1935, hatte die Schwarze Kutte
verheissungsvolle Zeichen gesetzt.
Für Gabrielle von Oppenheim, die mittlerweile die Geschicke des Gestüts
leitete, und Ewald Meyer zu Düte, bedeutete dies einen schönen Erfolg
ihrer Arbeit. Die beiden hatten Palazzo, die väterliche Grossmutter
Schönbrunns, gemeinsam aus England geholt und ihren Sohn Pantheon auf
Schlenderhan zum
Deckhengst gemacht.
Schönbrunn ist eine Tochter der Scheherezade von Ticono, diese wiederum
eine Tochter der Schwarzblaurot von Magnat und Enkelin der Schwarzgold.
Schönbrunn ist also eine Urenkelin der Schwarzgold und nachfolgendes Produkt einer
Anpaarung von Schwarzblaurot mit Ticino, auf die alle bedeutenden
Nachkommen dieser Linie zurückgehen. In den Farben des Pariser
Kunsthändlers Daniel Wildenstein gewann Schönbrunn den Grand Prix de
Deauville. Über ihre Tochter Seneca zeichnete sie verantwortlich für
Sagace, den französischen Sieger des Prix de
L'Arc de Triomphe und den mehrfachen Gruppesieger Starlift. .
Gabrielle von Oppenheim hatte geweint, als sie kürzlich Schönbrunn
verkaufte. Der Verkauf ging schnell, aber eben nicht schmerzlos vor
sich. Die Stute Schönbrunn ist das erste Produkt des Schlenderhaner
Deckhengstes Pantheon, das eine klassische Prüfung gewann. Schönbrunn
siegte im Schwarzgold-Rennen, der deutschen Version der 1814 in England
begründeten Prüfung um die „1000 Guineas“, und auch im Preis der Diana.
Zehnmal siegte Pantheon, ehe er ins Gestüt kam. „Als Schönbrunn, sein
erstes Produkt auf der Rennbahn, so erfolgreich wurde“, erzählt
Gabrielle von Oppenheim, „da hat das Ausland aufgehorcht.“ Und das
Ausland hat gekauft.
Ein guter Kauf und ein guter Verkauf sind keine geringeren Erfolge als
Siege in großen Rennen.
"Die Zeit", 1969
Sabrina, Suleika und Scheherezade sind drei Vollschwestern, die
Schwarzblaurot in Anpaarung mit Ticino brachte, und die das Erbe der
Schwarzgold über deutsche Grenzen hinaus nach England, Frankreich und
die USA trugen.
Suleika stellte mit ihrem Enkel Stuyvesant für Schlenderhan 1976 den
Sieger des Hamburger Derbys.
Mit Shogun (1969) von Tamerlane stellte Suleika eine weiteren Sohn in
der Warmblutzucht, der im Landgestüt Celle zum Einsatz kam.
Sayonara mit Fohlen bei Fuss
Suleikas 1965 geborene Tochter Sayonara von Birkhahn machte sich viele
Jahre auf Schlenderhan als Zuchtstute verdient. Mit den Halbbrüdern
Swazi, Saros und Slip Anchor dürfte sie die bedeutendste Hengstmutter
dieser Stutenfamilie sein. Lord Howard de Walden kaufte Sayonara noch im
Alter von fünfzehn Jahren und brachte sie nach England, wo sie 1982 Mutter des
Epsom Derbysiegers Slip
Anchor (von Shirley Heights) wurde, der in der Folge zum einflussreichen
Deckhengst in der Vollblutzucht avancierte. Zuvor stellte Sayonara mit
Saros (von Charlottown, geb.1974) einen wertvollen Sohn in der niederländischen
Warmblutzucht. Mit annähernd achthundert Nachkommen hinterliess Saros einen
bedeutenden Einfluss in der KWPN Zucht und geniesst sehr zurecht das Prädikat
"Elitehengst", eine Auszeichnung, die nur sehr wenigen Vollblütern in
Landespferdezuchten zuteil wird. Mit Swazi (von Herero, geb. 1973) stellte Sayonara ein Jahr zuvor
bereits den wohl bekanntesten Sohn dieser Stutenfamilie in der
deutschen Warmblutzucht. Swazi's Sohn Consul gilt bis heute als einer der
einflussreichsten Vererber in der Trakehner Zucht. Mit dem Hörsteiner
Trakehnerhengst Grand Prix, der unter Ingrid Klimke in der
Vielseitigkeit erfolgreich war, stellt Swazi einen weiteren
sporterfolgreichen Sohn und Deckhengst in der Landespferdezucht. Swazi
vertrat dreijährig ebenso wie sein naher Verwandter Stuyvesant die
Farben Schlenderhans im Deutschen Derby und wurde dort Zehnter.
Die
Stutenfamilie der Schwarzgold (wird fortgesetzt)
Als wesentliche Quelle diente das Buch von Stoffregen-Bühler über
Schlenderhan. Alle anderen Quellen sind im Text benannt.
... ebenso auf diesen Seiten: Birkhahn
- Die kleine Geschichte einer grossen Legende
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etwas andere Feature
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